„Panzersong“ ist die vierte und wohl wichtigste Single vom selbstbetitelten Debüt-Album des Leipziger Produzenten und Musikers acid.milch&honig. Das Video gibt es unten zu sehen. Das Album erscheint am 2. Juni via dem Berliner DIY-Label OWTF Records (One With The Freaks).
Wichtig ist diese neue Single nun, weil sie leider Gottes aktueller denn je scheint. Denn geschrieben wurde der Song lange vor der letzten Pandemie, der aktuellen Inflation, dem Krieg in der Ukraine. In einer Zeit nämlich, in der der Künstler noch Myspace nutze, um seine Musik ins Netz zu stellen. Über jenen Weg fand eine „Panzersong“-Demoversion einst sogar seinen Platz auf der zweithöchsten Rotation beim wichtigsten österreichischen Jugendsender, FM4.
Eigentlich unvorstellbar heute. Ohne Label, ohne Promoagentur, ohne TikTok – oder sonstigen Hype.
Nun also 2023 erscheint er offiziell. Mit Anlauf mittenrein in eine verrückte Zeit, in der die Verzweiflung der Gesellschaft immer neue Ausmaße anzunehmen scheint. „Panzersong“ diente dafür damals, als er entstanden ist, auch als Ventil. Für den Künstler und sein Publikum. Wer es worauf bezieht, bleibt jedem dabei selbst überlassen.

Für acid.milch&honig war es eine Art Psychoanalyse seines Umfeldes, ausgelöst durch das Zertrümmern eines Leipziger Linienbusses durch Unbekannte und dem vagen Erkennen der vermeintlichen Täter auf späteren Fahndungsfotos. Es stellte sich die Frage nach dem Wie, Weshalb und Warum – was treibt Menschen, in dem Fall flüchtige Bekannte, zu einer solcher Eskalation? „Panzersong“ ist also aus Sorge und Mitgefühl entstanden, mag ein Protestsong sein, ist vielmehr aber eine Hymne an die Menschlichkeit.
Ganz nebenbei ist er aber vor allem auch eins: ein fantastischer Ravesong mit erneut augenzwinkernder Verbeugung vor Acts wie Dune, Scooter aber auch Ton Steine Scherben. Oder wie es Acid live immer so schön singt: „Und wir raven hier alles kaputt, bist du uns wieder Strom und Stimme gibst.“
acid.milch&honig Q&A
1. Was bedeutet der Name und wie entstand er?
Irgendwann soll Walter Ulbricht, als ehemaliges Staatsoberhaupt der DDR, mal etwas gesagt haben wie: “wenn die nächsten Fünfjahrespläne von allen DDR-Bürgern gut umgesetzt würden, dann werde Mich und Honig aus sämtlichen Leitungen fließen”. Milch & Honig aus dem Boxen, also. Aber irgendwie fehlte mir da noch etwas Destruktives. Also machte ich davor noch ein Acid, um diesem komischen vermeintlichen Wohlstandsmodell etwas Reibung zu verpassen.
Vielleicht war es aber auch einfach so, dass mir am Anfang meine Songs immer zu poppig erschienen – Milch & Honig – und weil mir das nicht gefiel, musste ich die Harmonie dann irgendwie noch hinterher mit Verzerrern und dem Zerschnippeln von Samples kaputt machen – also Acid.

2. Wie hat deine musikalische Reise begonnen und wie entsteht deine Musik?
Als Teenager hatte ich viele Freunde, die gute Musik hörten und mich daran Anteil haben ließen, so bildete ich mich musikalisch. Irgendwann fiel mir auf, dass mir viel Musik zwar gefiel, aber oft etwas zu zahm, andere wiederum zu hart war. So begann ich, mir selbst eigene Songs zu basteln, die das enthielten, was mir beim Musik konsumieren fehlte.
Einen ähnlichen Ansatz verfolgte ich beim Produzieren. Ich begann zb. meine eigenen Software-Synthesizer zu basteln, eigene virtuelle Instrumente und Effekte zu kreieren, weil mir die gängigen, verfügbaren Plugins oft zu glatt und zu sauber waren. Auf dem Album sind nun ca. 90% der Sounds und Effekte meine eigenen Kreationen. Die Drum-Machine zerrt mehr, der Synthie knarzt schön und der Kompressor matscht und zerrt die Melodien und Sounds ordentlich an.
Zumeist habe ich am Anfang eine konkrete Melodie oder Rhythmus-Idee. Aber manchmal entstehen Songs auch aus Zufallsloops und -sounds, über die ich dann jamme. Für den Fall der Fälle, dass mir mal überhaupt nichts einfallen will, verfügen meine eigenen Software Synthesizer über einen Zufallsknopf…
3. Worum geht es in deinen Songs? Gibt es wiederkehrende Themen?
Als ich vor 20 Jahren mit acid.milch&honig angefangen habe, wollte ich vor allem live spielen und meine Konzerte zu kleinen Rave-Partys machen. Gleichzeitig war es mir aber auch von Anfang an wichtig, dem Publikum auch etwas zum Nachdenken über soziale und gesellschaftliche Themen mitzugeben. Also im Idealfall den Abend gemeinsam durchraven und auf dem Heimweg dann noch mal tiefer nachdenken. In der Welt von acid.milch&honig gehört ausgelassene Partykultur und Tiefgang unbedingt zusammen.
Generell beobachte ich viel, vor allem die Menschen um mich herum, unsere Gesellschaft und das Leben im Allgemeinen. Ich bin in einer linken Subkultur sozialisiert worden, Kapitalismus-Kritik z.b., ist wohl in meiner DNA. Ich sehe dabei oft mehr Schlechtes als Gutes, möchte aber als Künstler den Menschen mit meiner Musik Hoffnung und Kraft geben. Sie ermutigen, sich den vielen Dämonen und Desastern entgegenzustellen und sie mit mir zusammen so gut es geht wegzuraven.
„Panzersong“ Musikvideo
Quelle: LASOUNDCHECK PROMO c/o Lukas Lassonczy