L. Dre veröffentlicht mit „Lonely Dance“ ein weiteres Video aus seinem Album “LoFi Symphony” (unten zu sehen). In den letzten Jahren verbreitete sich ein neues Musikgenre vor allem durch Streaming-Playlisten: »Lo-Fi Beats« sind ruhige instrumentale Hip-Hop-Stücke, die dank ihrer verrauschten, leiernden Ästhetik klingen, als kämen sie direkt von einer mehrfach überspielten Kassette. L.Dre aus Los Angeles ist einer der Meister dieses Stils, doch auf seinem Album LoFi Symphony für Deutsche Grammophon hat er sich einer vollkommen neuen Herausforderung gestellt: Lo-Fi Beats mit hochqualitativen Aufnahmen klassischer Orchestermusiker:innen zu verbinden. Eine mutige Kombination zweier Welten und ein bewusster Stilbruch führten zu einem beeindruckenden Ergebnis, das mehr als nur die Summe seiner Teile darstellt.
Der in Los Angeles aufgewachsene L.Dre lernte als Kind verschiedene Instrumente wie Gitarre und Schlagzeug, doch in seiner Jugend dominierten Skateboarding und Hip-Hop seinen Tagesablauf. Obwohl er Musikproduktion am College studierte, wurde YouTube zu seinem wichtigsten Lehrer. Inspiriert von seinen frühen Helden, Hip-Hop-Produzenten wie J Dilla oder Kaytranada, fing er schon als Teenager an, instrumentale Produktionen auf Streamingplattformen hochzuladen. Seine ruhigen, vom klassischen Boom-Bap-Stil der 1990er-Jahre beeinflussten Beats passten zu einem Trend, der sich in entsprechenden Playlisten abzeichnete. Seine Generation nutzte Lo-Fi Beats vor allem als Hintergrundmusik, etwa zum Lernen.
Als Digital Native nutzte L.Dre von Anfang an die sozialen Medien, um seine eigene Marke aufzubauen. Auf Instagram, YouTube oder TikTok teilt er mit seinen Follower:innen sehr offen Tipps und Tricks im Umgang mit Musiksoftware und Einblicke in den Alltag und die Arbeitsweise eines Musikproduzenten. Dieser edukative Ansatz hebt L.Dre aus der Masse an gesichtslosen Lo-Fi-Produzent:innen heraus. Seine hohe Arbeitsmoral und seine entspannte, zugängliche Persönlichkeit ließen seine Kanäle und seine Community unaufhaltsam wachsen.
Für den jungen Produzenten bot sich eine ganz besondere Gelegenheit, als Deutsche Grammophon ihm eine Projektidee vorschlug: Lo-Fi Beats und klassische Musik unter einen Hut zu bringen. Diese enorme Herausforderung nahm der von seiner Natur aus offene Produzent dankend an.
Zunächst ging es darum, die richtigen Stücke aus dem tiefen Katalog des Traditionslabels auszuwählen: Claude Debussys Clair de lune und Beethovens »Mondscheinsonate« gehörten schon länger zu L.Dres persönlichen Favoriten, hinzu kamen Erik Saties Gymnopédies oder Vivaldis Vier Jahreszeiten, die das Klangbild seines Albums erweiterten. Neben ruhigen, melancholischen Stücken, die sich ganz offensichtlich für eine Lo-Fi-typische Bearbeitung eigneten, wählte L.Dre auch bewusst energetische Kompositionen, um die dynamische Spannweite des Albums zu erhöhen.
Insgesamt ging es L.Dre vor allem darum, »ein paar wirklich ikonische klassische Stücke auszuwählen und ihre Geschichte neu zu erzählen, auf meine ganz eigene Weise«. Lachend fügt er hinzu: »Außerdem wollte ich, dass all meine Produzenten-Freunde darüber rätseln, wie ich für diese Stücke wohl die Freigabe bekommen habe.«
Der Produktionsprozess von LoFi Symphony gestaltete sich deutlich aufwendiger als bei einem üblichen Projekt in diesem Genre. In einem ersten Arbeitsschritt sampelte L.Dre die bekannten Stücke für eine Rohversion eines Beats, dann wurde die »neue« Komposition transkribiert und einem Orchester aus ausgewählten Musiker:innen zur Neueinspielung vorgelegt. Mit diesen Aufnahmen finalisierte L.Dre schließlich seine Stücke in liebevoller Detailarbeit. Gerade die Spannung, die sich aus der Kombination von Lo-Fi-Ästhetik und Hi-Fi-Aufnahmen ergibt, macht LoFi Symphony so lebendig, interessant und innovativ. Streicheraufnahmen treffen auf Vintage-Sounds eines originalen Steinway-Flügels aus den 1920er-Jahren, auf das genretypische Vinylknistern und die charakteristisch gedämpften Drumsounds.
Diese musikalische Konstellation erforderte von L.Dre ein ganz besonderes Gespür für die richtige Balance. Anstatt seine Sample-Quellen bis zur Unkenntlichkeit zu zerhacken, umarmte er die großen Melodien der klassischen Kompositionen. Konzept und Umsetzung sind vollends aufgegangen: LoFi Symphony klingt herrlich zeitlos – und funktioniert vor allem auch jenseits des üblichen Background-Listening-Kontextes von Lo-Fi-Musik, sondern lädt durchaus zum aktiven Zuhören ein. Für dieses Projekt musste L.Dre seine Komfortzone verlassen, um in diesem Zuge jedoch ein noch besserer Musiker zu werden. »Dies ist definitiv anders als alles, was ich je zuvor gemacht habe«, bringt er die Besonderheit dieses Albums auf den Punkt. »Ich glaube nicht, dass so etwas überhaupt schon mal gemacht wurde.«
Quelle: uMusic / Universal Music