Bob Dylan (* 24. Mai 1941 als Robert Allen Zimmerman in Duluth, Minnesota) ist ein US-amerikanischer Folk- und Rockmusiker und Lyriker. Der Sรคnger spielt Gitarre, Mundharmonika, Orgel und Klavier. Er gilt als einer der einflussreichsten Musiker des 20. Jahrhunderts.
Dylan begann Ende der 1950er Jahre nach Rock ‘n’ Roll-Jahren in Schรผlerbands als Folkmusiker und wandte sich Mitte der 1960er Jahre der Rockmusik zu. Seine Texte waren zu Beginn seines Schaffens von der Folkbewegung und einem ihrer bekanntesten Vertreter, Woody Guthrie, spรคter auch von symbolistischen Dichtern wie Arthur Rimbaud und Charles Baudelaire, aber auch von der Bibel beeinflusst.
Leben
Kindheit und Jugend
Bob wurde als erstes Kind von Abraham โAbeโ Zimmerman (1911โ1968) und seiner Frau Beatrice โBeattyโ Stone (1915โ2000) im Mittleren Westen der USA geboren. Seine Eltern waren Nachfahren deutsch-ukrainisch-jรผdischer Immigranten, die 1905 aus Odessa in die Vereinigten Staaten รผbergesiedelt waren. Im Februar 1946 wurde sein jรผngerer Bruder David Benjamin geboren. Zur selben Zeit erkrankte sein Vater an Poliomyelitis und verlor seine Stellung als leitender Angestellter bei der Standard Oil Company. Um der drohenden Verarmung zu entgehen, zogen die Zimmermans zu Bobs Groรeltern nach Hibbing, Minnesota, wo Vater Abe Partner seiner beiden Brรผder wurde, die als selbstรคndige Elektriker arbeiteten.
Dylan hรถrte in seiner Jugend die Musik von Hank Williams, Little Richard, Chuck Berry und Buddy Holly. โIch wollte immer schon Gitarrist und Sรคnger sein. Seit ich zehn, elf oder zwรถlf war, war dies das einzige, was mich interessierte โฆ Henrietta war die erste Rock-‘n’-Roll-Platte, die ich hรถrte.โ Er war auch schon frรผh an Literatur interessiert. So begeisterte er sich unter anderem fรผr Bรผcher von John Steinbeck. Von seinen Eltern wurde sein musikalisches Talent gefรถrdert. Unter der Anleitung eines Cousins lernte er zunรคchst Klavier spielen, bevor er zur akustischen und spรคter zur elektrischen Gitarre wechselte. In dieser Zeit spielte er hรคufig Blues-Standards nach, die er im Radio hรถrte. Besonders beeindruckt war er von Elvis Presleys ersten Stรผcken, er brachte sich dessen Version von Blue Moon of Kentucky auf der Gitarre bei. Dieses Stรผck spielte er noch bis 1999 auf seinen Konzerten.
In der High School traf er Gleichgesinnte, die seinen Musikgeschmack teilten, und so war er schon bald Mitglied der A-cappella-Gruppe The Jokers, die vorwiegend auf Feiern auftrat. Aus ihr gingen spรคter The Golden Chords hervor, deren Spielplan aus Coverversionen von Little-Richard-Stรผcken bestand. Mit dieser Band nahm er an einem Talentwettbewerb in Duluth teil und war sehr enttรคuscht, als der erste Preis an eine Gruppe von Pantomimen ging.
Zu dieser Zeit trat er noch unter dem Namen โBobby Zimmermanโ auf. Da ihm Musik und Auftritte immer wichtiger wurden, entschloss er sich dazu, seinen Nachnamen durch einen Kรผnstlernamen zu ersetzen. Seine Wahl fiel auf โDylanโ, eine Entscheidung, zu der er sich im Laufe seiner Karriere unterschiedlich geรคuรert hat. So will er sich nach der Figur des Matt Dillon aus der damals populรคren Fernsehserie Rauchende Colts benannt haben, aber um sich von ihr abzugrenzen, habe er den Namen mit verรคnderter Schreibweise รผbernommen. Eine bekanntere und wahrscheinlichere Mรถglichkeit ist, dass sich der Name an den Dichter Dylan Thomas anlehnt, den er bewunderte und von dem er einige Bรผcher besaร. Er hat auch schon behauptet, der Name sei ihm einfach so eingefallen.
Im Herbst 1959 verlieร Dylan nach eigenen Angaben die โWildnisโ und schrieb sich fรผr einen Kunststudiengang mit Hauptfach Musik an der University of Minnesota in St. Paul ein. Dort besuchte er zwar nicht einen Kurs, kam aber mit der Folkmusik von Pete Seeger, The Kingston Trio und Woody Guthrie in Berรผhrung. Besonders Guthries Technik, einen Folkstandard mit eigenen Texten und verรคnderter Phrasierung zu erneuern, faszinierte ihn. Spรคter wandte er diese Technik selbst an. Seeger war eine Ikone der Linken und musikalisches Vorbild fรผr ihn.
Ende Dezember 1960 besuchte er seine Eltern und teilte ihnen mit, er wolle eine Karriere als Musiker einschlagen. Die reagierten zunรคchst verรคrgert, denn sein Vater wollte ihn eigentlich in sein Geschรคft aufnehmen. Sie gaben Dylan schlieรlich ein Jahr Zeit; so lange kรถnne er machen, was er wolle. Sollte sich bis dahin kein Erfolg einstellen, mรผsse er zurรผck an die Universitรคt und โetwas Richtigesโ lernen.
Bob Dylan als Folksรคnger
รber Umwege gelangte Dylan im Januar 1961 in den New Yorker Stadtteil Greenwich Village, der sich zu einem Anlaufpunkt fรผr Kรผnstler entwickelt hatte. Niedrige Mieten sorgten in den 1940er Jahren fรผr einen Zulauf von Musikern, zu denen in den 1950ern die Beatniks kamen. Letztere wurden zunehmend politisch in ihren Werken und sorgten fรผr einen steten Zustrom von Besuchern aus allen Bundesstaaten. Ihre Auftritte in den sogenannten Coffeehouses waren so gut besucht, dass die Bรผrgersteige rund um den zentral gelegenen Washington Square Park an den Wochenenden รผberfรผllt waren und fรผr den Verkehr gesperrt werden mussten. Anfang der 1960er Jahre wurde die Beatnik-Bewegung durch die Folk-Musik ergรคnzt, und Musiker wie Fred Neil, Phil Ochs und Tom Paxton hatten ihren ersten Auftritt im Village. Der Gitarrist und Sรคnger Dave Van Ronk und die Sรคngerin Odetta Holmes รผbten auf Dylan, der nur รผber das Zuhรถren viele Stilrichtungen aufsaugen konnte, eine starke Wirkung aus.
Dylan lernte dort auch seine erste groรe Liebe kennen, Suze Rotolo, die ihn nicht nur kรผnstlerisch inspirierte, sondern auch seinen gesellschaftskritischen Blick schรคrfte. Sie machte ihn mit den Bรผchern der franzรถsischen Symbolisten Arthur Rimbaud, Paul Verlaine und Charles Baudelaire bekannt. Die wechselvolle Beziehung inspirierte ihn zu den sogenannten Love/Hate-Songs wie Don’t Think Twice, It’s All Right, Boots of Spanish Leather und Ballad in Plain D, mit denen er die damals รผbliche Form des romantisch verklรคrten Lovesongs um eine bittere Variante erweiterte.
Er besuchte auch sein Idol Woody Guthrie im Krankenhaus. Dieser befand sich bereits im Endstadium der unheilbaren Huntington-Krankheit und war ans Bett gefesselt. Da eine Unterhaltung mit ihm sehr mรผhselig gewesen wรคre, spielte Dylan ihm stattdessen Guthrie-Songs vor. Seine Bewunderung fรผr ihn und die Eindrรผcke von diesen Besuchen verarbeitete er spรคter in Song to Woody, eine seiner ersten Eigenkompositionen.
Seinen ersten professionellen Auftritt absolvierte Dylan am 11. April 1961 im Gerde’s Folk City im Vorprogramm von John Lee Hooker. Nachdem er mit Erfolg in kleinen Clubs aufgetreten war, machte er erste Schallplattenaufnahmen als Mundharmonikaspieler auf einem Album von Harry Belafonte. Am 29. September erschien in der New York Times ein sehr wohlwollender Artikel รผber ihn. Der legendรคre Impresario John Hammond wurde auf ihn aufmerksam und nahm ihn am 25. Oktober 1961 fรผr das Major-Label Columbia unter Vertrag. Nach den Konditionen des Vertrages, der zunรคchst auf fรผnf Jahre angesetzt war, standen ihm ein kleiner Vorschuss und lediglich fรผnf Prozent der Einnahmen aus den Plattenverkรคufen zu. Dies kรผmmerte ihn aber nicht, da er froh war, รผberhaupt einen Plattenvertrag zu erhalten. Suze Rotolo, die groรe Liebe und Freundin dieser Jahre, gewann in der Zeit der ersten Erfolge einen kritischeren Blick auf Dylan:
โDer Erfolg meinen Freund mehr und mehr in einen Egozentriker. Die Persรถnlichkeit verรคndert sich, sobald sie allen ein Begriff wird. Sie entwickeln eine unkontrollierbare Egomanie. Dies kann auch bescheidensten und demรผtigen Personen passieren , es macht Klick und plรถtzlich kann diese Person nichts mehr wahrnehmen auรer sich selbst. Jeden Tag wird es schlimmerโ
โ Suze Rotolo
Wรคhrend sein erstes, 1962 erschienenes Album noch vornehmlich Fremdkompositionen enthielt und wenig Aufmerksamkeit erntete, brachten seine folgenden Alben The Freewheelin’ Bob Dylan und The Times They Are a-Changin’ den Durchbruch. Sie enthielten neben einfachen, aber umso eindringlicheren Liebesliedern vor allem sozialkritische Songs. Blowin’ in the Wind auf The Freewheelin’ Bob Dylan traf den Nerv der Zeit und wurde โ wenn auch zunรคchst in der Interpretation von Peter, Paul & Mary โ zur pazifistischen Hymne einer ganzen Generation. In dem wรผtend-eindringlichen Masters of War verfluchte Dylan den militรคrisch-industriellen Komplex. Einige Lieder wie das apokalyptische A Hard Rain’s A-Gonna Fall deuteten bereits auf sein auรergewรถhnliches literarisches Talent hin. Die Arm in Arm mit Dylan auf dem Cover der LP abgebildete Frau ist seine damalige Freundin Suze Rotolo.
Am 3. August 1963 begann seine erste groรe Tournee durch die USA โ als Gastsรคnger von Joan Baez, mit der er dann auch eine Liebesbeziehung hatte. Baez war zu jener Zeit bereits ein groรer Star und konnte leicht grรถรere Hallen fรผllen. Dylan sang auf diesen Konzerten, wo sie ihn voller Begeisterung dem Publikum vorstellte, einige Duette mit Baez. Fรผr Dylan bedeutete diese Tour und die Verbindung mit Baez eine enorme Steigerung seiner Bekanntheit. Auch finanziell lohnte sich die Tour โ sein Manager Albert Grossman hatte fรผr ihn eine grรถรere Beteiligung an den Einnahmen als fรผr Joan Baez ausgehandelt, obwohl sie der Star der Tour war. Am 28. August 1963 trat er gemeinsam mit Baez und anderen Folksรคngern bei der Abschlusskundgebung des Civil Rights March nach Washington auf, bei der Martin Luther King seine berรผhmte Rede I Have a Dream hielt.
Dylans Erfolg Anfang der 1960er Jahre fiel in eine Periode des politischen und gesellschaftlichen Wandels in Amerika. 1960 wurde John F. Kennedy zum Prรคsidenten gewรคhlt. Die Zeit war geprรคgt vom Kalten Krieg, von Rassenunruhen, aber auch von bedeutenden sozialen Reformen. Die Jugend wurde zunehmend politischer, und die Bรผrgerrechtsbewegung trat immer selbstbewusster auf. Bob Dylan wurde mit nicht einmal 25 Jahren eine Symbolfigur dieser emanzipatorischen Bewegung. Die Rolle eines Idols behagte ihm jedoch nicht. Er lehnte diese Rollenzuweisung kategorisch ab. Im Laufe seiner weiteren Karriere versuchte er immer wieder, sich der Vereinnahmung durch seine Fans zu entziehen, am deutlichsten vielleicht im Wedding Song aus dem Jahr 1974: โIt’s never been my duty to remake the world at large, / nor is it my intention to sound a battle chargeโ (โNie war es meine Pflicht, die Welt im Ganzen neu zu erschaffen, / noch ist es meine Absicht, einen Schlachtruf erklingen zu lassenโ).
Bob Dylan als Rockmusiker
Ab Mitte der 1960er Jahre lieร Dylan seine bis dahin fast ausschlieรlich solo und auf der akustischen Gitarre gespielte Musik elektrisch verstรคrken und hatte jetzt auch eine Begleitband. Ein Meilenstein dieses Wechsels war 1965 sein Auftritt beim Newport Folk Festival mit der Paul Butterfield Blues Band, der bei den puristischen Freunden der Folkmusik heftige Kritik auslรถste. Ein Teil des Publikums reagierte mit Buhrufen auf die elektrische Version von Maggie’s Farm. Auch hinter der Bรผhne spielten sich dramatische Szenen zwischen den Vertretern der klassischen Folktradition und der neuen elektronischen Musik ab. So soll Dylans Vorbild Pete Seeger damit gedroht haben, die Verkabelung der Band mit einer Axt zu durchtrennen. Nach drei Stรผcken ging Dylan mit der Band von der Bรผhne ab, wurde aber von Moderator Peter Yarrow zurรผckgebeten; er spielte dann noch zwei Stรผcke in gewohnter Manier solo mit Akustikgitarre und Mundharmonika. Diese Ereignisse werden in der 2005 erschienenen Dokumentation No Direction Home – Bob Dylan von Martin Scorsese aufgearbeitet, in der unter anderem seine Jugendliebe Suze Rotolo zu Wort kommt, die sich รผber ihre Beziehung zu Dylan lange nicht รถffentlich รคuรerte.
Auch auf der anschlieรenden Europatournee, bei der er sich von den Musikern begleiten lieร, die spรคter unter dem Namen The Band bekannt wurden, stieร seine elektrisch verstรคrkte Musik teils auf heftige Ablehnung, vor allem in England. 1966 wurde er bei einem Konzert fรผr seinen vermeintlichen โVerratโ an der Folkmusik gar als โJudasโ beschimpft (zu hรถren auf The Bootleg Series Vol. 4: Live 1966 (1998)). Wรคhrend dieser Tournee wurde es beinahe zu einem Ritual, dass das Publikum Dylan und seine Band ausbuhte. Dylan selbst forderte bei dem besagten Konzert seine Band dazu auf, besonders laut zu spielen.
Dylan wurde zum Rockstar, der Millionen von Schallplatten verkaufte und von Teilen der sich zunehmend politisierenden Gegenkultur als Sprachrohr betrachtet wurde. Er litt nun jedoch zunehmend unter dem Erfolgsdruck. Viele seiner alten Fans nahmen ihm seine Hinwendung zur Rockmusik รผbel und reagierten geradezu feindselig. Andere versuchten, ihn fรผr sich zu vereinnahmen. Die Presse begann einerseits, ihn auf die Rolle des Idols einer Generation festzulegen, andererseits des Verrats an den Idealen der Folkbewegung zu bezichtigen. Wenn Journalisten ihn auf Pressekonferenzen durch suggestive Fragen in die Enge zu treiben versuchten, gab Dylan meist schlagfertig und leicht arrogant wirkende, absurde Antworten und lieร sie ins Leere laufen. Gleichwohl war ihm die Anspannung aufgrund der Belastung durch das Tourneeleben und die Reaktion von Presse und Publikum deutlich anzumerken. Kurioserweise werden viele der spontanen Aussagen Dylans aus jener Zeit (etwa seine ironisch gemeinte Selbsteinschรคtzung als โSong and Dance Manโ) bis heute angefรผhrt.
Seinen Wandel vom Folksรคnger zum Rockmusiker vollzog er auf drei Alben, die er in kurzer Abfolge Mitte der 1960er Jahre verรถffentlichte und die heute als Klassiker der Rockmusik gelten. Auf der zweiten Seite der LP Bringing It All Back Home befinden sich ausschlieรlich akustisch eingespielte Songs, die A-Seite der LP bestritt Dylan aber bereits mit einer Band. Die zwei folgenden Alben Highway 61 Revisited und die Doppel-LP Blonde on Blonde enthalten fast nur elektrisch verstรคrkte Rocksongs. Like a Rolling Stone von Highway 61 Revisited schaffte es 1965 auf Platz 2 der Billboard-Single-Charts. Das Lied wurde spรคter von der Zeitschrift Rolling Stone zum โGreatest Song of All Timeโ gekรผrt, und Greil Marcus schrieb 2005 ein Buch รผber dessen Entstehung.
Vor allem sprachlich erreichten seine Lieder auf diesen Platten eine bis dahin in der populรคren Musik unerreichte Komplexitรคt. Seine Texte waren gespickt mit Metaphern und literarischen Verweisen, auรerdem tauchten Anspielungen auf Drogenerfahrungen auf. Typisch fรผr diese Periode waren auch ausufernde, surrealistisch anmutende Wortspielereien, die Dylan in der Art des Stream of Consciousness verfasste. Solches dominiert auch das 1965 geschriebene und erst 1971 erschienene Buch Tarantula sowie die lรคngeren Texte und Prosagedichte, die er gelegentlich auf den Rรผckseiten seiner LP-Cover verรถffentlichte. Die berรผhmtesten davon sind die Eleven Outlined Epitaphs von 1964, die in den 1980er Jahren in deutscher รbersetzung von Carl Weissner auch in Buchform erschienen. Dylan wurde damals stark von den Dichtern der Beat Generation wie Jack Kerouac beeinflusst, mit Allen Ginsberg verband ihn ein freundschaftliches Verhรคltnis.
Ende 1965 heiratete er das Fotomodell Sara Lowndes. Die Hochzeit wurde vor der รffentlichkeit geheimgehalten. Lowndes brachte eine Tochter aus erster Ehe in die Verbindung mit. So wurde Dylan im Alter von 24 Jahren plรถtzlich Familienvater. Nun schirmte er sein Privatleben erst recht strikt vor der รffentlichkeit ab. Einer der bekanntesten der zahlreichen Songs, die er von seiner Beziehung zu Sara inspiriert schrieb, ist Sad-Eyed Lady of the Lowlands, der auf der Doppel-LP Blonde on Blonde eine der vier Plattenseiten einnimmt. Dies bekannte er nach der Trennung von seiner Frau 1975 quasi รถffentlich mit dem Song Sara auf dem Album Desire. Dylan war und ist auch ansonsten รคuรerst zurรผckhaltend, was Angaben zu mรถglichen Adressaten seiner Lieder und Interpretationen der Inhalte seiner Texte betrifft.
Rรผckzug ins Privatleben
Nach einem Motorradunfall Ende Juli 1966 zog er sich fรผr zwei Jahre vรถllig aus der รffentlichkeit zurรผck. Das Ausmaร des Unfalls liegt bis heute im Unklaren. Er ermรถglichte Dylan jedoch die radikale Abkehr von einem Lebensstil, der bei ihm โ diktiert von einem รผbervollen und krรคfteraubenden Terminkalender und seiner damals auรerordentlichen kรผnstlerischen Produktivitรคt โ nahezu eine komplette gesundheitliche und mentale Erschรถpfung provoziert hatte. Dylan lebte nun in Bearsville in der Nรคhe des kleinen Ortes Woodstock unweit von New York und widmete sich vornehmlich seiner Frau Sara und den gemeinsamen Kindern. Er trat in den folgenden Jahren nur vereinzelt auf, so auch nicht beim legendรคren Woodstock-Festival in Bethel. Im ersten Teil seiner Autobiografie โChroniclesโ sagt er, dass er sich damals ein einfaches Leben mit einem Job von 9 bis 17 Uhr wรผnschte. Musikalisch orientierte er sich in dieser Zeit an der Country-Musik. Es entstanden zwei Alben, die er teilweise in Nashville aufnahm โ das spartanisch instrumentierte John Wesley Harding und das fรผr seine Verhรคltnisse sehr gefรคllige Nashville Skyline, auf dem er auch mit dem Country-Musiker Johnny Cash zusammenarbeitete. Die LP wurde zu Dylans bis dahin grรถรtem kommerziellen Erfolg. Dylan bereitete so der Akzeptanz der bislang als reaktionรคr verpรถnten Country-Musik im Rocklager den Boden und wurde โ neben Buffalo Springfield / Neil Young, The Byrds und Gram Parsons โ zu einem Wegbereiter des Country Rock. Mit den Musikern der Band nahm er im Keller eines alten Hauses in Woodstock ein Sammelsurium teils fast vergessener Songs der US-amerikanischen Rootsmusik (Blues, Folk und Country) auf, die jahrelang als Bootlegs kursierten, bevor sie 1975 offiziell und stark gekรผrzt unter dem Titel The Basement Tapes verรถffentlicht wurden. Hรคufig werden die Lieder jener Zeit als Dylans Bekenntnis zu den Freuden des einfachen Lebens als Familienvater gedeutet. Von vielen seiner alten Fans wurde ihm dafรผr jedoch erneut Verrat an den Idealen der Gegenkultur vorgeworfen.
Im Jahr 1969 wurde sein Sohn Jakob geboren, der mittlerweile selbst als Musiker arbeitet. Dylan hat auรer ihm drei weitere Kinder: Anna, Jesse und Samuel. Sein Doppelalbum Self Portrait aus dem Jahr 1970 erschien vielen Fans als eine lieblose Sammlung uninspirierter Songs und gilt als eine seiner schlechtesten Platten. Dylan selbst bezeichnete die Verรถffentlichung spรคter als den Versuch eines Befreiungsschlags, mit dem er die von ihm als bedrรผckend empfundene Erwartungshaltung seines Publikums zerstรถren wollte. Danach verรถffentlichte er zwei als respektabel, aber nicht herausragend angesehene Alben (New Morning und Planet Waves) und spielte eine kleine Rolle in Sam Peckinpahs Western Pat Garrett jagt Billy the Kid an der Seite von Kris Kristofferson und James Coburn. Er schrieb zudem die Musik zu diesem Film, darunter das ebenso hymnische wie desillusionierte Knockin’ on Heaven’s Door. Vor Publikum trat er nur noch selten auf, so beispielsweise 1969 beim Isle of Wight Festival oder 1971 beim Konzert fรผr Bangladesch.
Scheidung und Hinwendung zum Christentum
Mitte der 1970er Jahre begann Dylans private Idylle zu brรถckeln, als seine Ehe in eine Krise geriet. Eine spektakulรคre Comebacktournee (dokumentiert auf dem Doppelalbum Before the Flood) Anfang 1974 war zwar binnen weniger Stunden ausverkauft und ein groรer Publikumserfolg, die Kritiken fielen jedoch eher zwiespรคltig aus. Kritisiert wurde vor allem, dass er kaum neue Songs bringe und mehr โschreie als singeโ. Auffallend war, dass er viele bekannte Lieder in vรถllig neuem musikalischen Gewand darbot und diese damit zwar einerseits revitalisierte, andererseits aber oft bis zur Unkenntlichkeit verรคnderte. Diese Herangehensweise an das eigene Werk hat Dylan bis heute beibehalten und sie ist zu einem Markenzeichen geworden. 1975 verรถffentlichte Dylan Blood on the Tracks. Das Album wird seither als Dylans kรผnstlerische Verarbeitung der Trennung von seiner Frau Sara interpretiert. Bob Dylan selbst hat jedoch immer wieder einen direkten Zusammenhang bestritten.
1975/76 startete er das Projekt der Rolling Thunder Revue, eine Art musikalischen fahrenden Zirkus mit zahlreichen Musikern, der oft nur kurzfristig angekรผndigt an verschiedenen Orten der USA Station machte. Dylans Auftritte wรคhrend des ersten Teils dieser Tournee werden heute zu den besten seiner Karriere gezรคhlt. Auf der Platte Desire, auf der Songs aus dieser Zeit verรถffentlicht wurden, sang Dylan auch im Duett mit Emmylou Harris. Sie war ein groรer kommerzieller und kรผnstlerischer Erfolg und brachte Dylan auf einen zweiten Zenit seiner Popularitรคt. Besonders bekannt wurde der Song Hurricane รผber den Boxer Rubin Carter, dessen Karriere mรถglicherweise durch ein rassistisch motiviertes juristisches Fehlurteil beendet worden war. Mit dem wehmรผtigen Lied Sara setzte er seiner ehemaligen Frau ein Denkmal. Der vierstรผndige Kinofilm Renaldo & Clara, der die Tour dokumentierte und bei dem Dylan selbst Regie fรผhrte, wurde jedoch von der Kritik verrissen und brachte wenig ein. 1977 nahm er Hintergrundgesang fรผr ein Stรผck von Leonard Cohens Album Death of a Ladies’ Man auf. Noch im selben Jahr wurden Bob und Sara Dylan geschieden.
Auf einer erfolgreichen Welttournee im Jahr 1978 (unter anderem mit einem Auftritt am 1. Juli vor etwa 75.000 Menschen auf dem Zeppelinfeld, dem ehemaligen Reichsparteitagsgelรคnde in Nรผrnberg) hatte Dylan angeblich ein religiรถses Erweckungserlebnis, als jemand aus dem Publikum ein kleines silbernes Kreuz auf die Bรผhne warf. Aufsehen erregte seine 1979 erfolgte Konversion zum christlichen Glauben, bei der er zum Anhรคnger der Erweckungsbewegung wurde, was sich in seinen folgenden Platten deutlich niederschlug. Zwischen 1979 und 1981 verรถffentlichte er drei christlich inspirierte Alben (Slow Train Coming, Saved und Shot of Love) und predigte bei Auftritten zu seinem Publikum.
Diese erneute Wendung in Dylans Musik konnte ein Groรteil seines Publikums nicht nachvollziehen. Er war teilweise harscher Kritik ausgesetzt, obwohl er fรผr den Song Gotta Serve Somebody seinen ersten Grammy erhielt. Die Lyrik des von โgรถttlicher Offenbarungโ durchdrungenen Liedes Every Grain of Sand gilt zudem als einer seiner inspiriertesten Texte. Mit der Zeit flaute die Kontroverse um seine christliche Phase ab, zumal sich ab 1981 mit dem Lied Lenny Bruce (eine Hommage an den 1966 verstorbenen subversiven Komiker) wieder eine Rรผckkehr zu weltlichen Themen andeutete.
Krise
Die 1980er Jahre waren durch viele unterschiedliche Alben gekennzeichnet, deren Stil (Musik und Text) bei Kritik und Publikum groรteils verhaltene Resonanz auslรถste. Wรคhrend Infidels (1983) und Empire Burlesque (1985) noch einige hervorragende Songs enthalten, erreichte er mit Knocked Out Loaded (1986) und Down in the Groove (1988) einen kรผnstlerischen Tiefpunkt. Die Musikzeitschrift Rolling Stone wรคhlte Down in the Groove im Mai 2007 zum โschlechtesten Album eines bedeutenden Kรผnstlersโ. Am 28. Januar 1985 nahm Dylan an den Aufnahmen zu We Are the World teil und sang die Zeile โthere’s a choice we’re makingโ. In der zweiten Hรคlfte der Dekade hatte er mit einem Alkoholproblem zu kรคmpfen. Die Auftritte jener Zeit verliefen zum Teil entsprechend chaotisch. Beim Live-Aid-Konzert am 13. Juli 1985 zugunsten der hungernden Bevรถlkerung รthiopiens fiel er mit der Bemerkung auf, er hoffe, ein Teil des Geldes wรผrde fรผr die leidenden US-amerikanischen Farmer verwendet. (โI hope that some of the moneyโฆmaybe they can just take a little bit of it, maybeโฆone or two million, maybeโฆand use it, say, to pay the mortgages on some of the farms and, the farmers here, owe to the banksโฆโ.) Diese Aussage wurde zwar angesichts der hungernden Bevรถlkerung รthiopiens von vielen als unangemessen betrachtet und teils heftig kritisiert, fรผhrte schlieรlich aber dazu, dass ein Benefiz-Konzert Farm Aid organisiert wurde, das erstmals am 22. September 1985 in Champaign, Illinois, stattfand.
Am 4. Juni 1986 heiratete Dylan Carolyn Dennis, eine seiner vielen Background-Sรคngerinnen, mit denen er damals zusammen war. Eine gemeinsame Tochter war am 31. Januar 1986 zur Welt gekommen. Hochzeit wie Geburt wurden jedoch vor Bekannten und vor der รffentlichkeit geheimgehalten, nur einige enge Freunde des Paares wussten davon. Erst 2001 machte sie Howard Sounes in einer Biographie publik. Die Ehe war bereits Anfang der 1990er Jahre geschieden worden. 1987 gab Dylan zusammen mit Roger McGuinn und Tom Petty & the Heartbreakers ein Konzert in Ost-Berlin, zu dem der Kartenverkauf in West-Berlin sehr schleppend verlaufen war.
Ab 1988 wirkte er neben Roy Orbison, Tom Petty und Jeff Lynne maรgeblich in der von George Harrison ins Leben gerufenen Gruppe Traveling Wilburys mit. Die Gruppe, die von 1988 bis 1990 Bestand hatte, produzierte zwei Studioalben. Seit 1988 befindet sich Dylan auf der inoffiziell so bezeichneten Never Ending Tour, die ihn schon mehrmals um den Erdball fรผhrte. Dabei gibt er im Schnitt รผber 100 Konzerte pro Jahr. Wรคhrend Dylan in den ersten Jahren der Never Ending Tour manche Stรผcke mit zumeist skurrilen Kommentaren einleitete, spricht er dabei, mit Ausnahme der Vorstellung der Bandmitglieder, oft so gut wie kein Wort und beschrรคnkt sich allein auf das Singen und Musizieren. Gelegentlich findet er jedoch Gefallen daran, einen Witz einzustreuen. Jedes Dylan-Konzert der vergangenen Jahrzehnte (inzwischen etwa 4000) wurde als sogenanntes Bootleg illegal mitgeschnitten. Die Mitschnitte werden in Fankreisen unter โTape Tradernโ kostenlos getauscht.
Im selben Jahr wurde Bob Dylan in die Rock and Roll Hall of Fame aufgenommen. Sein Laudator war Bruce Springsteen, der zu Beginn seiner Karriere als โneuer Dylanโ bezeichnet worden war. 1989 gelang Dylan mit dem von Daniel Lanois in New Orleans produzierten Album Oh Mercy die Rรผckkehr zu alter Form, der Nachfolger Under the Red Sky (1990) war jedoch erneut eine Enttรคuschung. 1991 wurde ihm ein weiterer Grammy fรผr sein Lebenswerk verliehen. In der ersten Hรคlfte der 1990er Jahre verรถffentlichte er keine neuen Kompositionen. 1992 und 1993 erschienen zwei Alben (Good As I Been to You, World Gone Wrong) mit Aufnahmen traditioneller Folk- und Bluessongs, die er solo, nur begleitet von Gitarre und Mundharmonika, einspielte.
Rรผckkehr
Am 14. August 1994 trat Dylan auf dem Woodstock-II-Festival auf, einer Neuauflage des legendรคren Festivals von 1969. Sein Auftritt wurde zur รberraschung vieler Beobachter von dem รผberwiegend jugendlichen Publikum euphorisch aufgenommen. Im November 1994 nahm er ein Live-Album mit DVD fรผr die MTV-Unplugged-Reihe auf. Ursprรผnglich wollte er darauf alte Country- und Blues-Stรผcke spielen, die Produzenten wollten aber stattdessen einige seiner grรถรten Hits. Dylan gab nach, und das Album wurde eines seiner finanziell erfolgreichsten und erreichte Platz 23 der US-amerikanischen Album-Charts. Der Verlag Random House verรถffentlichte im selben Jahr unter dem Titel Drawn Blank einen Bildband mit Zeichnungen von Dylan, die er zwischen 1989 und 1992 angefertigt hatte. Sie zeigen seine Eindrรผcke vom Tourleben โ Straรen, Hotelzimmer und Diners. Im Vorwort erwรคhnt er, dass das Zeichnen fรผr ihn eine Mรถglichkeit sei, dem Alltagsleben zu entfliehen und zu entspannen.
1996 stimmte er der Verwendung seines Liedes The Times They Are a-Changin’ in Werbespots der Bank of Montreal und der Wirtschaftsprรผfungsgesellschaft Coopers & Lybrand zu. 2004 stellte er fรผr einen Werbespot von Victoria’s Secret nicht nur sein Lied Love Sick zur Verfรผgung, sondern trat auch als Akteur auf. 1997 verรถffentlichte Dylan nach sieben Jahren erstmals wieder neue eigene Songs. Mit dem abermals von Daniel Lanois produzierten dรผsteren Album Time Out of Mind schaffte er ein Comeback. Fรผr die Platte wurde er gleich mit drei Grammys ausgezeichnet, unter anderem fรผr den Song Cold Irons Bound. Mit dem Song Things Have Changed fรผr den Film Die WonderBoys gewann er im Jahr 2001 den Golden Globe Award und den Oscar fรผr den besten Filmsong. 2000 erhielt er auรerdem den inoffiziellen โNobelpreis fรผr Musikโ, den Polar Music Prize.
1997 gab Dylan ein Konzert, bei dem Johannes Paul II. und Kardinal Ratzinger, der spรคtere Benedikt XVI., anwesend waren. Es fand wรคhrend eines Internationalen Eucharistischen Kongresses in Bologna statt und wurde von 300.000 Menschen besucht. Dylan gab zu diesem Anlass Knockin’ on Heaven’s Door und seinen Anti-Kriegs-Klassiker A Hard Rain’s A-Gonna Fall sowie als Zugabe Forever Young zum Besten. 1998 ging er mit seinen Musikerkollegen Van Morrison und Joni Mitchell auf Tournee. Ein Jahr spรคter begleitete ihn Paul Simon auf einer erfolgreichen US-Tournee, anlรคsslich welcher jeder einen grรถรeren eigenen Teil vortrug, vier Lieder andererseits gemeinsam gesungen wurden.
Am 11. September 2001 erschien โLove and Theftโ, eine von Publikum und Kritik begeistert aufgenommene Platte. Auf dem Album unternimmt Dylan eine Reise zu den Wurzeln der amerikanischen Musik. 2003 erschien der Spielfilm Masked and Anonymous, fรผr den er zusammen mit Larry Charles das Drehbuch schrieb und in dem er die Hauptrolle รผbernahm. Fรผr die Rollenbesetzung konnten zahlreiche Hollywoodstars gewonnen werden. Im Oktober 2004 erschien der erste Teil seiner auf drei Teile angelegten Autobiografie Chronicles: Volume One (Simon & Schuster), in Deutschland unter demselben Titel, รผbersetzt von Gerhard Henschel und Kathrin Passig. Gleichzeitig wurden seine Texte bis zum Album โLove and Theftโ unter dem Titel Lyrics 1962โ2001 verรถffentlicht, in Deutschland in der โ nach Vorgabe von Dylans Management wortgetreuen โ รbersetzung von Gisbert Haefs (Hoffmann und Campe, 2004). Zur Vermarktung des Buches gab er im Dezember 2004 sein erstes Fernsehinterview seit 19 Jahren.
Am 26. und 27. September 2005 wurde vom amerikanischen Sender PBS der Film No Direction Home โ Bob Dylan im Zuge der Serie American Masters ausgestrahlt. Die Dokumentation รผber die Jahre 1959 bis 1966 wurde von Starregisseur Martin Scorsese produziert. Fรผr den Film wurden hunderte Stunden unverรถffentlichten Materials gesichtet und ein Interview mit Dylan gefรผhrt. Der im August 2005 erschienene Soundtrack zur Dokumentation ist gleichzeitig der siebte Teil der โBootleg Seriesโ. Von Mai 2006 bis April 2009 moderierte Dylan beim amerikanischen Radiosender XM Satellite Radio die wรถchentlich gesendete einstรผndige Sendung Theme Time Radio Hour, die sich jeweils einem bestimmten Thema widmet. Er selbst wรคhlte dafรผr die Musik aus, die fast einhelliges Lob erntete und ein Publikum erreichte, das weit รผber den Kreis der Dylan-Fans hinausging.
Im August 2006 erschien Dylans 32. Studioalbum Modern Times, das weltweit รผberwiegend auf sehr positives Echo stieร und mit dem er das erste Mal seit Desire (1976) wieder an die Spitze der US-Charts gelangte. Die Rรผckkehr auf Platz eins der US-Hitparade nach drei Jahrzehnten war zuvor noch keinem lebenden Musiker gelungen. Ende Juni 2007 kรผndigte Dylan an, ein endgรผltiges Best-of-Album mit dem Titel Dylan zu verรถffentlichen. Das Album kam am 1. Oktober 2007 weltweit in den Handel und erschien in zwei Versionen: Eine Ausgabe enthรคlt 18 der erfolgreichsten Dylan-Songs, die โHighlight Deluxe Editionโ umfasst 51 Tracks auf 3 CDs. Am 24. April 2009 erschien ein Studioalbum mit dem Titel Together Through Life. Am 13. Oktober 2009 wurde ein weiteres Studioalbum verรถffentlicht mit dem Titel Christmas in the Heart, das Weihnachtsklassiker wie Little Drummer Boy oder Winter Wonderland enthรคlt. Der Erlรถs aus dem Verkauf der CD ging als Spende an das Welternรคhrungsprogramm und die Organisation Crisis UK. Diese verteilen in der Weihnachtswoche rund 15.000 Mahlzeiten an Obdachlose. Am 7. September 2012 erschien ein neues Studioalbum mit dem Titel Tempest. Im Sommer 2012 kam Dylan fรผr einige Auftritte nach Europa, ebenso im Herbst 2013.
Am 23. November 2014 gab Dylan im Zuge einer Erforschung, wie ein Konzert, das fรผr groรe Menschenmengen gedacht ist, auf eine einzelne Person wirkt, in der Philadelphia Academy of Music eine private Vorstellung fรผr den schwedischen Fernsehstar Frederik Wikingsson. Im Februar 2015 erfolgte die Verรถffentlichung des 36. Studioalbums Shadows in the Night โ ein Konzeptalbum mit Neuinterpretationen bekannter Frank Sinatra-Stรผcke aus den 1950ern.
Anfang Mรคrz 2016 wurde bekannt, dass Dylan sein privates Archiv als โVorlassโ fรผr 15 bis 20 Millionen Dollar an die Universitรคt von Tulsa verkauft hat.
Aquarelle und Gouachen von Bob Dylan
Nebenher betรคtigt sich Dylan auch als Zeichner und Maler. Auf seinen Reisen durch die USA, Mexiko, Europa und Asien fertigte er Zeichnungen an, รผberwiegend mit Bleistift und Kohle. Erste Schwarz-weiร-Zeichnungen wurden 1994 unter dem Titel โDrawn Blankโ verรถffentlicht. Im August 2007 wurde bekannt, dass Dylan diese Zeichnungen in einem aufwendigen Verfahren koloriert hat. Ausschlaggebend fรผr diese kรผnstlerische Umsetzung war das Interesse der Kunstsammlungen Chemnitz, welche dieses auรermusikalische Werk Dylans mit seiner ersten Kunstausstellung The Drawn Blank Series – Aquarelle und Gouachen zwischen Oktober 2007 und Februar 2008 wรผrdigen wollte. In dieser Ausstellung wurden 170 Aquarelle und Gouachen gezeigt. Aufgrund des groรen Erfolges wurde die Ausstellung bis Ostern 2008 verlรคngert.
Bob Dylans โNever ending Tourโ
Der Begriff โNever ending Tourโ wurde von dem Kritiker Adrian Deevoy in einem Interview 1989 geprรคgt. Die Tour selbst begann 1988 und dauert an. Dylan spielt dabei jรคhrlich um die 100 Konzerte verteilt auf die halbe Welt. Am 16. Oktober 2007 soll Dylan gemรคร der Website Still on the Road in Dayton, Ohio, das 2000. Konzert der Tour gespielt haben.
Dylans Einfรผhrung erfreut sich unter Fans hoher Beliebtheit. Bis August 2002 lautete diese:
โLadies and gentlemen, would you please welcome Columbia Recording Artist: Bob Dylanโ
Seit dem 15. August 2002 wurde sie in Anlehnung an einen Zeitungsartikel geรคndert:
โLadies and gentlemen, please welcome the poet laureate of rock ‘n’ roll. The voice of the promise of the 60’s counterculture. The guy who forced folk into bed with rock. Who donned makeup in the 70’s and disappeared into a haze of substance abuse. Who emerged to find Jesus. Who was written off as a has-been by the end of the 80’s, and who suddenly shifted gears releasing some of the strongest music of his career beginning in the late 90’s. Ladies and gentlemen โ Columbia recording artist Bob Dylan!โ
Diese allerdings wurde mit Beginn des Jahres 2012 ebenfalls abgeschafft. Eine Ankรผndigung Dylans findet derzeit nicht statt.
Seit dem Oktober 2013 spielt Dylan im Gegensatz zu den frรผheren Jahren fast immer eine sehr รคhnliche Set-List.
Einfluss auf die Popkultur
Bob Dylan hat die Entwicklung der Popmusik seit den 1960er Jahren wie kaum ein anderer Musiker beeinflusst. Er schรถpft aus dem riesigen Fundus traditioneller, populรคrer amerikanischer Musik von Folk รผber Country bis zu Gospel, Blues und Rock ‘n’ Roll. Dieses Erbe der sogenannten Americana bildet รผber seine gesamte Karriere den Nรคhrboden seines Werks. Obgleich er sich diese Idiome teilweise erst im Laufe seiner Karriere angeeignet hat, ist es ihm immer wieder gelungen, sie entscheidend zu transformieren und zu erweitern. Eines seiner grรถรten Verdienste ist sicher, dass er mit einer starken Hinwendung auf die Texte seiner Lieder der modernen Rockmusik eine sprachliche Komplexitรคt gegeben hat, die bis dahin unvorstellbar war.
War die Rockmusik vor ihm vor allem durch triviale Liebeslieder geprรคgt (ein Sammler und Freund von Dylans Werken beschrieb diese Phase einmal sehr zutreffend als โLiebe und Triebeโ), so wurde sie mit Dylan nicht nur, angelehnt an die sozialkritische Tradition der Folkmusik, politisch, sondern auch zu einem Medium ernst zu nehmender Poesie. Dylan etablierte den Popsong als ein Medium, mit dem individuelle Erfahrungen verarbeitet und mitgeteilt werden kรถnnen. Einige von Dylans Texten gelten als Werke von hรถchstem literarischem Rang und waren Gegenstand intellektueller Diskussionen (beispielsweise Desolation Row, Like a Rolling Stone und Hurricane). Dylan hat also einen bedeutenden Beitrag dazu geleistet, die populรคre Rockmusik als ernsthafte Kunstform zu etablieren.
Seit 1996 wird Dylan immer wieder als Anwรคrter auf den Literatur-Nobelpreis gesehen. Eine von den Schriftstellern John Bauldie und Allen Ginsberg geleitete Kampagne fรผhrte 1996 zu seiner offiziellen Nominierung. Unterstรผtzt wurde sie auch von dem Literaturprofessor Gordon Ball, der Dylans Texte in ihrem โauรergewรถhnlich einfallsreichen Symbolismusโ mit Arthur Rimbaud und William Butler Yeats vergleicht. Fรผr andere erweckt Dylans dunkle und assoziationsreiche Lyrik โimmer wieder den Eindruck, als wisse er mehr, als kรถnne er tiefer dringen und Antworten geben.โ Geschmรคlert werden Dylans Chancen indes dadurch, dass seine Songs nur im weiteren Sinne als Literatur klassifiziert werden kรถnnen, da sie erst durch die musikalische Darbietung ihre Wirkung ganz entfalten.
Dylans Hinwendung zu komplexen Texten und einer individuellen Spielweise der Rockmusik Mitte der 1960er Jahre fanden etwa zeitgleich mit nicht minder bedeutenden Innovationen anderer Popmusiker statt: In England nahmen The Beatles mit Rubber Soul und Revolver zwei Alben auf, die sich sowohl musikalisch als auch textlich deutlich von dem bis dahin รผblichen Niveau der gรคngigen Popmusik abhoben. In den USA experimentierten The Velvet Underground mit neuen musikalischen Formen und verarbeiteten literarische Themen in ihren Texten. Selbst Brian Wilson von The Beach Boys โ also eigentlich ein Musiker, der bis dahin auf naive Popsongs abonniert war โ verรถffentlichte gegen den Widerstand seiner Plattenfirma das Album Pet Sounds, das in seiner musikalischen Komplexitรคt vieles der damals รผblichen seichten Popmusik in den Schatten stellte und ungewรถhnlich melancholische und nachdenkliche Tรถne anschlug. Mit Dylan und diesen anderen, kaum weniger herausragenden Kรผnstlern, erhielt die sich formierende und immer selbstbewusster artikulierende Gegenkultur auch eine kรผnstlerische Stimme.
Dylan verwirklichte seine sich immer wieder wandelnden musikalischen und textlichen Vorstellungen (von idealistischen, explizit politischen Folksongs รผber surrealistische Rocknummern und sentimentalen Country-Songs bis zu gospeligen Predigten in Liedform) zwar durchaus mit Unterstรผtzung seiner Plattenfirma, aber teilweise gegen einen geradezu erbitterten Widerstand seiner angestammten Fangemeinde. Dies verdeutlicht, wie sehr Dylan zu der Rolle des populรคren Rockmusikers als autonomer Kรผnstler beigetragen hat.
Immer wieder betonte er, wie wichtig traditionelle Folksongs fรผr seine Entwicklung waren und sind. Oft zog er seine Inspiration aus Liedern aus der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg, die lรคngst aus dem รถffentlichen Bewusstsein verschwunden waren. Die dort verarbeiteten Mythen und Legenden der amerikanischen Kultur bilden einen Grundpfeiler seines Schaffens als Songwriter.
Deutlich erkennbar wurde dies bereits auf seiner ersten LP, auf der er grรถรtenteils traditionelle Songs spielte. Aber auch spรคter trat dies immer wieder offen zu Tage, so auf The Basement Tapes und den beiden Anfang der 1990er Jahre verรถffentlichten Soloalben sowie auf seinem Album โLove and Theftโ von 2001. Das dort enthaltene Stรผck High Water (For Charlie Patton) bezog sich explizit auf Charley Pattons Bluessong High Water Everywhere aus dem Jahr 1929, der von der desastrรถsen und folgenreichen Mississippiflut 1927 erzรคhlte.
So wie es in diesen alten Liedern der amerikanischen Folklore durchaus รผblich war, in den Texten reale Ereignisse zu thematisieren, so greift auch Dylan solche Themen in seinen Songs auf. Dies waren besonders in seiner frรผhen Karriere sozialkritische Themen, spรคter zunehmend auch persรถnliche Erfahrungen.
Dylan hatte nie eine dem klassischen Schรถnheitsideal genรผgende, ausgebildete Singstimme. Seine Qualitรคten als Sรคnger sind umstritten: Einige Kritiker schรคtzen seine ausdrucksstarke, absichtlich โunschรถneโ Art zu singen, die ungewรถhnliche Phrasierung voller rhythmischer Verschiebungen, seinen unverwechselbar selbstbewusst meckernden Sound; andere wiederum stรถrt, dass Dylan (ursprรผnglich wohl, um die traditionellen Blues- und Folksongs der ersten Platten glaubwรผrdiger klingen zu lassen) mit einer kรผnstlich aufgerauten, sozusagen verstellten Stimme singe. Das Magazin Time hรถhnte in den 1960er Jahren, seine Stimme klinge, โals kรคme sie รผber die Mauern eines Tuberkulose-Sanatoriumsโ. Dies รคnderte sich vorรผbergehend wรคhrend seiner Country-Phase um 1970, als er beinahe glatt klang โ nicht zuletzt deshalb, weil er zwischenzeitlich das Rauchen aufgegeben hatte. รber die Jahre ist seine Stimme allerdings deutlich gealtert, so dass sie inzwischen einen geradezu krรคchzenden Klang hat, der ihr aber durchaus Charakter und Ausdruck verleiht.
Seine Songs sind von zahlreichen Musikern aufgenommen worden. Hierzu gehรถren Joan Baez, Eric Clapton, The Byrds, Rod Stewart, Van Morrison, Joe Cocker, Johnny Cash, Jimi Hendrix, Bryan Ferry (der 2007 ein Album ausschlieรlich mit Dylan-Liedern mit dem Titel Dylanesque herausbrachte) und sogar Elvis Presley. Zahlreiche Lieder Dylans sind erst durch die Aufnahmen anderer Musiker populรคr geworden, was auch an seiner wenig massenkompatiblen Stimme liegen mag, so beispielsweise It’s All Over Now, Baby Blue in der Fassung von Them, Mr. Tambourine Man von The Byrds, Blowin’ In The Wind von The Hollies, All Along the Watchtower in der Version von Jimi Hendrix, Mighty Quinn und Father of Night in den Interpretationen von Manfred Mann sowie Knockin’ on Heaven’s Door von Guns N’ Roses.
Auf viele Musiker hat Bob Dylan einen prรคgenden Einfluss gehabt, unter anderem Van Morrison, The Beatles, Steely Dan, Bruce Springsteen, Jimi Hendrix und Nick Cave. Auch der deutsche Musiker Wolfgang Niedecken, der รถsterreichische Liedermacher Wolfgang Ambros, der einige der frรผhen Songs Dylans ins Deutsche รผbersetzt hat, und Falco, dessen Sarg zu den Klรคngen von It’s All Over Now, Baby Blue in die Erde gelassen wurde, zรคhl(t)en Bob Dylan zu ihren Vorbildern.
Das Nachrichtenmagazin Newsweek fand fรผr Dylans Bedeutung die Formulierung: โEr bedeutet fรผr die Popmusik das gleiche wie Einstein fรผr die Physikโ. In der vom US-Musikmagazin Rolling Stone verรถffentlichten Liste der 500 besten Alben aller Zeiten ist Dylan mit zehn Alben vertreten (davon zwei in den Top 10), er liegt damit nur knapp hinter den Beatles mit elf Alben.
Ehrungen
Dylan ist Trรคger zweier Ehrendoktortitel. Den ersten erhielt er 1970 von der Universitรคt Princeton, den zweiten verlieh ihm am 23. Juni 2004 die schottische University of St. Andrews, die ihn als โIkone des 20. Jahrhundertsโ betitelte, dessen Lieder seine Zeit prรคgten, so wie auch die Zeit seine Lieder prรคgten. Bob Dylans Lyrik sei in den Anfรคngen von politischem Dialog durch Musik nicht mehr wegzudenken.
Am 8. April 2008 wurde die Verleihung des Pulitzer-Sonderpreises an Bob Dylan bekanntgegeben. Er erhielt den Preis fรผr seinen besonderen Einfluss auf die Popkultur und seine โlyrischen Kompositionenโ.
US-Prรคsident Barack Obama verlieh ihm 2009 in Abwesenheit die National Medal of Arts. Live 1966 (The Royal Albert Hall Concert) wurde in The Wire’s โ100 Records That Set the World on Fire (While No One Was Listening)โ aufgenommen. 2011 wurde er in die American Academy of Arts and Sciences gewรคhlt.
2012 wurde Dylan mit der Presidential Medal of Freedom ausgezeichnet. 2013 wurde er als Ehrenmitglied auf Lebenszeit in die American Academy of Arts and Letters aufgenommen.
Dylan wurde auf der Frรผhjahrs-Mitgliederversammlung der Akademie der Kรผnste Berlin am 25. Mai 2013 als neues Mitglied in die Sektion Film- und Medienkunst gewรคhlt.
Im November 2013 wurde Dylan mit dem franzรถsischen Orden der Ehrenlegion ausgezeichnet. Bei der Verleihung lobte Kulturministerin Aurรฉlie Filippetti den Sรคnger als einzigartige Verkรถrperung der โsubversiven Kraft der Kultur, die die Menschen und die Welt verรคndern kannโ.
Studioalben
Bob Dylan (1962)
The Freewheelin’ Bob Dylan (1963)
The Times They Are a-Changin’ (1964)
Another Side of Bob Dylan (1964)
Bringing It All Back Home (1965)
Highway 61 Revisited (1965)
Blonde on Blonde (1966)
John Wesley Harding (1967)
Nashville Skyline (1969)
Self Portrait (1970)
New Morning (1970)
Pat Garrett & Billy the Kid (1973)
Dylan (1973)
Planet Waves (1974)
Blood on the Tracks (1975)
The Basement Tapes (1975)
Desire (1976)
Street Legal (1978)
Slow Train Coming (1979)
Saved (1980)
Shot of Love (1981)
Infidels (1983)
Empire Burlesque (1985)
Knocked Out Loaded (1986)
Down in the Groove (1988)
Oh Mercy (1989)
Under the Red Sky (1990)
Good as I Been to You (1992)
World Gone Wrong (1993)
Time Out of Mind (1997)
Love and Theft (2001)
Modern Times (2006)
Together Through Life (2009)
Christmas in the Heart (2009)
Tempest (2012)
Shadows in the Night (2015)
Fallen Angels (2016)
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